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24.01.2023

ATX 3.0, PCI Express 5 und 12VHPWR

ATX 3.0, PCI Express 5 und 12VHPWR sind nicht dasselbe! Wir erklären, was diese Definitionen bedeuten und wie sie zusammenhängen.

Die Themen ATX 3.0 und PCI Express 5 (PCIe 5) werden breit besprochen – und das völlig zu Recht! Diese Standards sind komplex, doch für PC-Selbstbauer wichtig zu verstehen. Auch wenn viele der Definitionen bislang lediglich theoretisch dargelegt wurden, geben sie einen guten Blick darauf, was uns in Sachen Leistungsaufnahme für Grafikkarten in den nächsten Jahren erwarten wird.

Was ist PCI Express 5?

Der PCI-Express-Standard definiert die elektromechanischen Spezifikationen für die PCI-Express-Schnittstelle und deren Add-In-Karten. Add-In-Karten können Grafikkarten sein, umfassen aber auch Soundkarten, USB-Karten und vieles mehr. Für den Rest dieses Beitrags werden wir uns jedoch in diesem Zusammenhang ausschließlich auf die Implikationen für Grafikkarten beziehen.

Ziel der neusten Revision 5 ist eine weitere Erhöhung der Datenrate von 16 auf 32 Gigatransfers pro Sekunde, die Verbesserung der Usability und den Standard für zukünftigen Anforderungen fit zu machen. Im Fokus steht dabei vor allem die steigende Leistungsaufnahme von Grafikkarten.

In den Designanforderungen von PCI Express 4 sind kurzfristige Lastspitzen nicht spezifiziert. In der PCIe-5-Spezifikation wird nicht nur die maximale durchschnittliche Leistungsaufnahme von 600 Watt definiert, sondern es werden zudem kurzfristige Lastspitzen beschränkt. So darf eine Grafikkarte nach dem PCIe-5-Standard in einem Intervall von bis zu 100 Mikrosekunden maximal das dreifache ihrer durchschnittlichen Leistungsaufnahme abrufen. Das bedeutet im Falle einer 600-Watt-Karte eine maximale Leistungsaufnahme von bis zu 1800 Watt über einen Zeitraum von 100 Mikrosekunden. Für eine Dauer von 10 Millisekunden ist maximal das Doppelte erlaubt.

Wichtig dabei ist zu verstehen, dass die hohen Lastspitzen nur über sehr kurze Zeiträume auftreten dürfen und die durchschnittliche Leistungsaufnahme in einem Zeitintervall von 1000 Millisekunden nie höher als die Nennleistung von beispielsweise 600 Watt sein darf.

Außerdem beschreibt der Standard, dass Grafikkarten insgesamt nicht mehr als 600 Watt über eine beliebige Kombination von Stromanschlüssen im System aufnehmen dürfen. Es herrschen viele Spekulationen über extrem hohe Leistungsaufnahmen von kommenden Grafikkarten, deshalb möchten wir an dieser Stelle anmerken: Es ist nicht wahrscheinlich, dass alle Modelle von Beginn an den vollen Definitionsspielraum ausnutzen. Darüber hinaus ist es möglich, dass künftigen Grafikkarten, insbesondere übertaktete Modelle, sich nicht vollständig an diese Vorgaben halten werden.

Neben den Spezifikationen zur Leistungsaufnahme definiert der neue Standard einen neuen Stromanschluss, den sogenannten „12VHPWR Auxiliary Power Connector“ den wir später in einem eigenen Absatz erläutern.

Was bedeutet ATX 3.0 für Netzteile?

Was PCI Express für Grafikkarten ist, ist ATX für Netzteile. Der Design-Guide wird von Intel herausgegeben und die neuste Version 3.0 beschreibt Anforderungen an Netzteile unter Berücksichtigung der von PCIe 5 definierten Spezifikationen. Hohe Leistungsaufnahmen und Lastwechsel sind nichts Neues und bereits in der ATX 2.X Spezifikation bedacht. Die bislang definierten Anforderungen sind bereits beachtlich, denn auch ein ATX-2.4-Netzteil muss beispielsweise sehr schnelle, vorrübergehende Lastwechsel von 20% auf 100% der Ausgangsstromstärke für Grafikkarten meistern. 

Hinsichtlich der Lastspitzen ergibt sich jedoch eine Spezifikationslücke, da die ATX 2.4 keine Werte oberhalb der Nennleistung definiert. Zwar können ATX 2.4 Netzteile in der Realität auch höhere Lastspitzen abfangen, doch wie hoch diese sein dürfen ist nicht definiert. Netzteilhersteller mussten also in der Vergangenheit häufig nachjustieren, um den Anforderungen moderner Grafikkarten gerecht zu werden. Die ATX 3.0 Spezifikation definiert deshalb erstmals auch Sollwerte oberhalb der Nennleistung des Netzteils. Diese besagen, dass die PCIe-Anschlüsse für die Grafikkarte Lastwechsel um das Dreifache der Leistungsaufnahme erreichen lassen müssen. Betrachtet man beispielsweise ein 1200-Watt-Netzteil mit einer Grafikkarte aus der 600-Watt-Klasse werden etwa 300 Watt für die CPU sowie 300 Watt für alle weiteren Komponenten kalkuliert. Dieses Netzteil muss kurzfristig in der Lage sein eine -Leistung von (3*600W)+300W+300W, also insgesamt 2400 Watt, zu erreichen.Genau hier unterscheiden sich im wesentlichen ATX-3.0- und ATX-2.X-Netzteile.

Ein ATX 3.0 Netzteil garantiert im Gegensatz zum ATX-2-Netzteil nicht nur eine konstante Nennleistung, sondern dazu auch das Abfangen hoher Lastspitzen oberhalb der Nennleistung.

Der neue 12VHPWR Stromanschluss

Eine für den Anwender besonders auffällige Änderung in der PCIe 5 und ATX-3.0-Spezifikation ist der 12VHPWR-Anschluss. Mit diesem wird ein deutlich leistungsfähiger Stromanschluss eingeführt, der für ATX-3.0-Netzteile über 450 Watt sogar verbindlich vorgeschrieben ist.

Neue Anschlüsse gab es zuletzt in der PCIe Revision 2 im Jahr 2013. Hier wurde zum bekannten 6-Pol PCIe-Strom-Stecker der 8-polige hinzugefügt, der anstelle von 75 Watt für 150 Watt spezifiziert war. Leistungsstarke Grafikkarten benötigten zuletzt bis zu drei dieser PCI Express Stromanschlüsse. 

Der neue 12VHPWR-Anschluss ist deutlich kompakter gebaut und dennoch in der Lage eine Grafikkarte mit bis zu 600 Watt Leistung über einen einzelnen Stecker zu versorgen. Er besitzt 12 Leitungen für die Stromversorgung (6x12V und 6xMasse) und vier Signalleitungen, die als Kommunikationsschnittstelle zwischen Netzteil und Add-In-Karte dienen.

Die neuen Signalleitungen des 12VHPWR-Anschlusses verbessern das Zusammenspiel zwischen Netzteil und PC. Ein ATX 2.X-Netzteil weiß nicht, ob und wie viele Verbraucher angeschlossen sind und Grafikkarten sind auch nicht darüber informiert, welche Leistung das Netzteil bereitstellen kann. Der neue 12VHPWR-Anschluss ist in der Lage, intelligenter zu arbeiten. Über  die zwei Signalleitungen SENSE0 und SENSE1 teilt das Netzteil der Grafikkarte mit, welche Leistung maximal über den 12VHPWR-Anschluss bereitgestellt werden kann. Die Leistung eines solchen 12VHPWR-Anschlusses kann dabei in vier Stufen mit 150, 300, 450 und 600 Watt festgelegt werden. 

Auf der anderen Seite beschreibt die PCIe 5 ausdrücklich, dass die Leistungsaufnahme von 600 Watt durch die angeschlossene Karte nicht überschritten werden darf. Je nachdem wie das Netzteil die maximale erlaubte Last auf einem 12VHPWR-Anschluss festlegt, wird die Grafikkarte diese nicht überschreiten. Falls ein Netzteil oder Kabel niedriger eingestuft ist, als die Grafikkarte erfordert, läuft sie möglicherweise mit reduzierter Leistung oder nicht ordnungsgemäß.

Einige Funktionen des 12VHPWR Anschlusses sind optional und gewährleisten die Kompatibilität mit bisherigen Standards. Daraus resultiert, dass allein das Vorhandensein eines 12VHPWR-Stromanschlusses an der Grafikkarte nichts über deren Fähigkeiten oder Leistungsaufnahme aussagt. Die Geforce RTX 3090 Ti oder Karten der RTX-40-Serie sind zum Beispiel bereits mit dem 12VHPWR Stromanschluss ausgestattet. Dabei sind sie weder PCIe-5-Karten, noch ist zum Betrieb ein ATX-3.0-Netzteil erforderlich. Auch für zukünftige PCIe-4-Grafikkarten ist diese Vorgehensweise denkbar. Eine ähnliche Logik kann auch auf Netzteile angewendet werden.

Nur weil einem Netzteil ein Kabel mit 12VHPWR-Stromanschluss beiliegt, ist es nicht zwingend ein ATX-3.0-Netzteil.

Adapterkabel vom bisherigen PCIe-Stecker auf den neuen 12VHPWR-Anschluss sind auch mit ATX 2.X-Netzteilen möglich und existieren bereits. Intel empfiehlt jedoch, dass die neue Anschlussbuchse oder feste 12VHPWR-Kabel am Netzteil nur angebracht werden, wenn ATX 3.0 vom Netzteil voll unterstützt wird. Auch in den neusten Revisionen der PCI-Express-Richtlinien werden die erwarteten hohen Lastspitzen nur in Verbindung mit dem 12VHPWR-Kabel beschrieben. Bereits heute zeichnet sich ab, dass der Markt Lücken sucht, um die Nutzer möglichst schnell und günstig an die neuen Technologien heranzuführen. Hier ist besondere Aufmerksamkeit gefordert, ob der Hersteller ein Netzteil explizit mit ATX 3.0 kennzeichnet, um sicherzustellen, dass alle notwendigen Standards für zukünftige Grafikkarten eingehalten werden. be quiet! überarbeitet das Angebot und bringt zukunftssichere Netzteile auf den Markt. Das Dark Power 13 ist das erste Netzteil von be quiet!, welches den ATX-3.0-Standard voll unterstützt, gefolgt vom Pure Power 12 M. Weitere Serien werden im Laufe des Jahres 2023 ebenfalls aktualisiert.

Ausblick

Wir begrüßen die PCI-Express-5- und ATX-3-Spezifikationen und die eindeutigen Definitionen zur Leistungsaufnahme. Als Netzteilentwickler bekommen wir klare Parameter vorgegeben, die unsere Netzteile einhalten müssen, und für Anwender wird es dank der klaren Richtlinien einfacher, das passende Netzteil für ihre Grafikkarte zu finden. Schon jetzt bietet unser Netzteil-Rechner transparent Hilfe bei der Wahl eines passenden Netzteils für unzählige Systemkonfigurationen. In Zukunft wird die Beratung aufgrund der parallel existierenden Standards noch intensiver werden müssen.